Fachliche Legitimität und Rechtliche Legalität in Pädagogischen Grenzsituationen – die Website „Pädagogik und Recht“

Beim Stöbern im World Wide Web stößt man hin und wieder auf ungeahnte Perlen. Eine dieser Perlen ist das Projekt und die dazu gehörige Website „Pädagogik und Recht“. Die Website wird von Martin Stoppel, ehemaliger Abteilungsleiter des Bereiches Erziehungshilfe des Landesjugendamtes Rheinland, betrieben. Sie ist Rainer Obladen gewidmet, ebenfalls ehemaliger Abteilungsleiter des Landesjugendamtes Rheinland und einer der Gründungsväter der Bundesarbeitsgemeinschaft für Individualpädagogik AIV e.V..

Das Projekt stellt sich der Aufgabe Pädagogische Grenzsituationen, die im Pädagogischen Alltag von Kitas, Schulen und Einrichtungen der Erziehungshilfe seit Jahren zunehmen, sowohl fachlich als auch rechtlich einzuordnen. Die Grundannahme ist dabei, dass Professionelle Erziehung und Pädagogische Qualität eine ganzheitlich fachlich-rechtliche Sichtweise von Pädagogischen Fachkräften erfordern. Das Projekt will zur Professionalisierung Pädagogischer Praxis beitragen und bietet hierzu ein Rahmenkonzept Pädagogischen Handelns, das entlang von fachlicher Legitimität und rechtlicher Legalität entwickelt wird.

Das Konzept der fachlichen Legimität betont die Begründungsbedürftigkeit Pädagogischen Handelns und stellt es in den Kontext des gesetzlichen Erziehungsauftrags gemäß §1 SGB VIII, der einen Zielhorizont der Persönlichkeitsförderung formuliert. Von der gegenüberliegenden Seite wird Pädagogisches Handeln durch den zivilrechtlichen Schutzauftrages zur Gefahrenabwehr bei akuter Selbst- und/oder Fremdgefährdung von Kindern und Jugendlichen gerahmt. Zwischen dem gesetzlichen Erziehungsauftrag, der ein Recht eines jeden Kindes auf Förderung und Erziehung formuliert, und der zivilrechtlichen Gefahrenabwehr, die Eingriffe in die Selbstbestimmung von Kindern erfordert und damit Kinderrechte verletzt, besteht ein Zielkonflikt, der Handlungsunsicherheiten in der Bewältigung von Pädagogischen Grenzsituationen produziert. Diesen Grenzsituationen widmet sich die Website. Sie will einen Pädagogischen Fachdiskurs und Qualitätsdialog anstoßen, um Handlungsunsicherheiten in Pädagogischen Grenzsituationen zu enttabuisieren und zum Ausgangspunkt fachlich-rechtlicher Selbstreflexion und -vergewisserung der Pädagogischen Professionen zu machen.

Im Zentrum des Projektes steht das Konzept fachlich legitimen pädagogischen Handelns. Fachliche Legitimität kann ein Pädagogisches Handeln dann für sich beanspruchen, wenn es in der Perspektive des öffentlichen Erziehungsauftrages geeignet ist, ein Pädagogisches Ziel zu verfolgen, also etwa die Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit eines Kindes zu fördern. Die Eignung einer Maßnahme wird im sogenannten Perspektivwechsel geprüft, bei der eine neutrale Fachkraft eine beschriebene Maßnahme retrospektiv auf Eignung zur Verfolgung eines Erziehungsziels analysiert. Auf der Website findet man jede Menge konkrete Analysen mit vielen Fallbeispielen, wie Pädagogisches Handeln im Hinblick auf fachliche Legitimität und rechtliche Zulässigkeit reflektiert werden kann. Ausgehend von diesen sehr praxisnahen Analysen werden teilweise Leitsätze für das Pädagogische Handeln entwickelt.

Die Website ist etwas unübersichtlich gestaltet und man braucht eine Weile, um sich durch die vielen Materialien zu arbeiten. Einen guten Einstieg in das das Konzept der fachlichen Legitimität bietet die Broschüre „Macht und Ohnmacht in der Erziehung. Handlungssicherheit für Erziehende – eine Praxisanleitung mit Fallbeispielen“. In Anwendung des Konzeptes der fachlichen Legitimität wird entlang von Fallbeispielen ein Praxisleitfaden entwickelt, um fachlich legitime und rechtlich zulässige Pädagogische Grenzsetzungen von Machtmissbrauch abzugrenzen.

Ausdrückliche Lektüreempfehlung für alle Pädagogischen Fachkräfte.

Hinterlasse einen Kommentar